Ich schäme mich so, ich besitze viel zu viele Sachen!
Diesen Satz höre ich als Ordnungscoach relativ häufig. Weshalb ist die Scham über zu viel Besitz so verbreitet und wie können Sie sie überwinden?
Konsumorientierung
Die Nachkriegsgeneration konnte sich im Laufe der letzten Jahrzehnte immer mehr leisten. Das Angebot in den Einkaufszentren und seit einigen Jahren online ist explodiert. Die Preise sind gesunken, es wurde dadurch normal, ein defektes Gerät sofort durch ein neues zu ersetzen und Kleider immer nach der neuesten Mode zu kaufen. Materieller Wohlstand wurde erstrebenswert. Weshalb löst Besitz dennoch immer häufiger Scham aus?
Der Aufräum-Boom
Spätestens während des ersten COVID-Lockdowns nahm der Aufräum-Boom Fahrt auf. Die Welle losgetreten hatte 2012 Marie Kondo mit ihrem Buch Magic Cleaning. Das Ziel ihrer Methode ist es, überfüllte Wohnungen und Häuser zu leeren, bis man nur noch die Dinge besitzt, die einen glücklich machen. Alles was man nicht benutzt oder einem nicht mehr gefällt, wird aussortiert. Man gewinnt so wieder die Übersicht und die meisten Menschen fühlen sich nach einer Aufräum-Aktion tatsächlich erleichtert. Diese relativ radikale Methode kann aber auch eine Überforderung sein.
Neuer Minimalismus
Mit dem Wohnstil Scandi, der Gemütlichkeit mit schlichten Möbeln und Naturfarben verbindet, zog zusätzlich ein neuer Minimalismus in die Wohnungen ein. Damit die Schlichtheit der Einrichtung zur Geltung kommt, gibt es nur wenige Dekorationen (in unserer Familie heissen die übrigens Steh-im-Weg ) und in den Schränken und Kommoden sind alle Besitztümer übersichtlich aufbewahrt.
Zu viel Besitz wird immer mehr als erdrückende Last empfunden. Wem es nicht gelingt, diesem Ideal zu entsprechen, fühlt sich als Versager und kann sich deshalb sogar schämen. Auch das ökologische Bewusstsein ist gewachsen, man kann alte Sachen nicht mehr einfach mit gutem Gewissen wegwerfen.
Gründe für die Scham
Es gibt viele Gründe, die Scham über zu viel Besitz auslösen können:
- Sie haben so viel Geld ausgegeben für Dinge, die Sie gar nicht brauchen
- Sie können Angeboten und Aktionen nicht widerstehen
- Sie sind kaufsüchtig, Neues macht sie wenigstens kurzzeitig glücklich
- Sie schämen sich über Ihre vollgestopfte Wohnung und empfangen keinen Besuch mehr
- Sie behalten Kleider, obwohl sie ahnen, dass sie Ihnen nie mehr passen werden
- Sie haben ein schlechtes Gewissen, neuwertige Gegenstände wegzugeben und wissen nicht, wohin damit
- Sie denken an Menschen, die um einen Bruchteil Ihres Besitzes froh wären
Das Schamgefühl überwinden
Wenn Sie sich dessen bewusst werden, ist der erste Schritt schon getan. Sie möchten ihr Konsumverhalten ändern und eine Übersicht über ihren Besitz gewinnen. Befreien Sie sich von unnötigem Ballast, eventuell mithilfe eines Ordnungscoaches. Wie das funktioniert, können Sie hier nachlesen: Was ist eigentlich ein Ordnungscoaching?
Wertschätzen Sie Ihre verbleibenden Gegenstände, benutzen Sie sie regelmässig oder stellen Sie sie sogar an einem schönen Ort aus. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, was Sie mit den aussortierten Sachen machen können, lesen Sie dazu meinen Blog 9 Tipps für richtiges Entsorgen, Verkaufen, Reparieren und mehr.
Wie viele Gegenstände jemand besitzt, ist sehr individuell. Wenn Sie sich gerne mit vielen Dingen umgeben und sich dabei wohl fühlen, auch wenn Sie nicht alles regelmässig brauchen, ist das in Ordnung. Schämen Sie sich bitte nicht dafür!
Schwierigkeiten beim Loslassen
Sie hängen unter anderem an Ihren Sachen
- da sie ein Geschenk oder ein Erbstück waren
- da Sie mit ihnen Erinnerungen verbinden
- es Sie reut, sie wegzuwerfen
- sie teuer waren
Dazu habe ich einen eigenen Blog geschrieben: Loslassen – wieso ist das manchmal so schwierig?
Strategien, weniger zu kaufen
Schauen Sie sich die Gründe an, die ich oben beschrieben habe und entwickeln Sie Strategien dagegen. Fragen Sie sich zum Beispiel vor einem Kauf Folgendes:
- Brauche ich das Gerät mehr als nur für eine Gelegenheit —> Suchen Sie nach einer Möglichkeit, es auszuleihen
- Finde ich das Kleid so hübsch, dass ich es auch in einigen Jahren noch tragen werde —> Schlafen Sie vor einer Entscheidung eine Nacht darüber
- Diese Kaffeetassen gefallen mir total gut —> Haben Sie nicht schon genug Kaffeetassen oder werden Sie ein altes Set ersetzen?
- Habe ich Platz für die 100 Taschentuch-Päckchen im Aktionsangebot —> Überlegen Sie genau, wie viel Geld Sie damit wirklich sparen und kaufen eventuell doch eine kleinere Menge
Haben Sie noch weitere Strategie-Ideen? Dann schreiben Sie mir gerne einen Kommentar.
Fazit
Wenn Sie Ihren Besitz so reduziert haben, dass Sie sich in Ihrer Wohnung wohlfühlen ist das Ziel erreicht. Kaufen Sie in Zukunft bewusster ein und überlegen Sie, was Sie wirklich brauchen. Dann gibt es keinen Grund mehr, sich über Ihren Besitz zu schämen.
Und wie immer: wenn Sie beim Aufräumen und Aussortieren Unterstützung benötigen, bin ich gerne für Sie da! ANGEBOT
Ihre Karin Treichler